Schwerlich war je ein schaffender Künstler ersten Ranges einer ästhetischen Lebensanschauung zugetan; das aber deshalb nicht, weil er nicht die Kunst als ein Sondergebiet vom übrigen Leben ablösen konnte, weil er in sein Schaffen seine ganze Seele ergoss, nicht nur eine gewissen Technik übte, und weil er die Mühen, ja die Unzulänglichkeit dieses Schaffens viel zu schmerzlich empfand, um daraus einen bloßen Genuss zu saugen. In Wahrheit hat die ästhetische Lebensanschauung ihre Heimat weniger bei den schaffenden Künstlern als bei den genießenden und reflektierenden Dilettanten; diese haben ihren Epikureismus oft auch den Künstlern aufgedrängt, die, theoretischen Erörterungen abgeneigt, ja ihnen gegenüber wehrlos, kaum empfinden, dass jene Ablösung der Kunst vom Ganzen des Lebens sie nicht sowohl erhöht als erniedrigt. …

Der Ästhetizismus ist weniger ein wahrer Ausdruck des heutigen Lebensgefühls als ein künstlicher Versuch, seiner Schwere und seinem Ernst zu entfliehen. Das aber kann er nur, indem er sich mit dem modernen Subjektivismus verbindet und in solcher Verbindung Stimmungen erzeugt, die als Zeichen der Zeit beachtenswert sind, denen aber alles schöpferische Vermögen und alle seelenerhöhende Kraft gebricht.

Quelle: Geistige Strömungen der Gegenwart

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