Jeder Mensch tritt in politischen Umgang, der nicht nur die Form der Staatsaktionen, sondern Situation für alles Menschendasein ist. Wie der Umgang im privaten Verkehr der Interessen und im Großen sich zeigt, das erhellt sich gegenseitig.

Würde die Form politischen Umgangs die allein herrschende, so wäre die Möglichkeit existentieller Kommunikation vernichtet. Existenz berührt Existenz erst, wo der Verkehr der Menschen als Kampf der um ihr Dasein gegeneinander kämpfenden Feinde durchbrochen wird. Aber die Verabsolutierung der Formen des politischen Umgangs bis in die Kleinigkeiten des Alltags, ja bis zum Umgang mit sich selbst ist die Verführung, ein Zusammenleben in relativer Ruhe zu ermöglichen, in dem nichts offen zu wirklicher Entscheidung gebracht wird. Die Entscheidungen sind dann hinterrücks die stillen Vorgänge, in denen sich nicht mehr Existenz mit Existenz berührt. Politischer Umgang zur Lebensform gemacht, lässt hinter seinem Schleier mögliche Existenz verschwinden. Es bleiben die vitalen Daseinsantriebe unter der Decke des beruhigten und geordneten Daseins. Jeder gilt auf Gegenseitigkeit, nicht als er selbst. Es gibt keine Verehrung und Liebe, sondern nur die Form der geordneten, objektiven Macht- und Rangverhältnisse. Im Grunde herrscht Selbstverachtung und im Geheimen Verachtung aller Anderen. Respekt besteht nur vor Macht, Geltung in öffentlicher Meinung, vor Geld und Erfolg. Empörung bricht aus, wo die Ruhe der gegenseitigen Täuschung in der allgemeinen Befriedigung gestört wird, wo jemand sagt, was ist, und die Dinge bei ihren unheiligen Namen nennt.

Quelle: Existenzerhellung