Unübersehbar noch vollzog sich der Farbwandel in Geschäften, Kaufhäusern und Restaurants, in Schulen und Unversitäten, in Büros und auf Bahnhöfen. Man gab sich, in der Freizeit und bald auch beruflich, wie sprachlich und gestisch legerer, so farblich freundlicher und expressiver. Schrittmacher dabei waren jene jungen Frauen, die den bourgeoisen Rüschenkult der Petticoats abstreiften, um in den 1964 von der Engländerin Mary Quant kreierten Minirock zu schlüpfen. .. Schwelgerische >>Modefarben<< brachten Kleidungsstücke und preiswerte Asssecoires in Schwung: Gelbe Schuhe, violette Stiefel, grüne Strümpfe, blaue Hosen, lila Blusen, weinrote Jacken: dergleichen und mehr konnte nun frohgemut kombiniert werden. Der >New Look< scherte sich nicht mehr um koloristische Grenzen, sondern setzte herherzt den Farbkanon der Mütter und Väter außer Kraft.
In ihrem Verlauf (gemeint ist die chromatische Sozialisation) kommt keiner umhin, sich den Farben zu fügen, die ihm die Umgebung vorschreibt. … Je nach Herkunft, Ausbildung, Einkommen und sozialem Status variieren in Beruf und Privatleben die Freiheitsgrade des persönlichen Umgangs mit der Palette sowie die Toleranzen bei chromatischer Abweichung vom konventionellen Mittelweg. Denn obwohl die Zahl der Farbtöne inzwischen schier unübersehbar anmutet, darf nicht jede Nuance an jedem Ort zu jeder Zeit von jedermann hemmungslos eingesetzt werden.
Ob >bunter Vogel< oder >graue Maus<, jeder Mensch entwickelt und praktiziert eine eigene, seine persönliche >Farbformel<, die er im Verhältnis zu anderen geltend macht. … Wie auch immer die Entscheidungen ausfallen, in der Regel grenzen sie den Einzelnen zugleich ab und verbinden ihn mit Zeitgenossen. Infolge dieser kommunikativen Doppelfuntkion steckt in jedem noch so privaten Farbvotum zugleich eine >soziale Farbformel<.
Weitere Informationen:
Soziologie der Farbe (Hannelore Schlaffer)