Von Ralf Keuper
Münchens Ruf haftet seit den 1930er Jahren der Makel an, die „Hauptstadt der Bewegung“ (gewesen) zu sein. Am 30 April diesen Jahres wurde in München das NS-Dokumentationszentrum eröffnet, das dieses dunkle Kapitel der Stadtgeschichte beleuchtet.
Keine Frage: München war, ist und bleibt die Stadt, in der Hitler sein Netzwerk aufbauen und von wo aus er später seinen Siegeszug an die Macht im Deutschen Reich antreten konnte.
Warum gerade München ein so geeigneter Ort für Hitler und seine Bewegung war, erläutert Franziska Brüning in Wie München zur Brutstätte für den Nazi-Terror wurde
München war aber auch – schon vor dem Ersten Weltkrieg – ein Sammelbecken rechter Ideologen und völkischer Aktivisten. Die Revolution 1918, vor allem aber die folgende Räterepublik waren besonders für die bürgerlichen Bewohner eine traumatische Erfahrung. Das politische Pendel schlug von ganz links nach ganz rechts.
Für die Nazis entstanden ideale Bedingungen, mit ihren Ideen die Gesellschaft nach und nach zu vergiften. Hinzu kam, dass die städtischen und staatlichen Behörden den späteren Diktator unterschätzten, sofern sie nicht mit ihm sympathisierten. Familien aus der Kulturszene wie die Inhaber der Berliner Klavier- und Flügelfabrik Bechstein oder die Verlegerfamilien Bruckmann und Hanfstaengl hofierten Hitler und empfahlen ihn in der besseren Gesellschaft weiter.
Karl Dietrich Bracher stellt dazu fest:
In München von 1919, wo mit dem Eintritt Hitlers in die DAP die eigentliche Geschichte des Nationalsozialismus beginnt, boten sich ungewöhnlich günstige Voraussetzungen für die Entfaltung rechtsradikaler Aktivitäten. Nach der Ermordung des Revolutionspremiers Kurt Eisner und der blutigen Überwältigung der Räterepublik, die einen außerordentlichen Aufschwung der gegenrevolutionären und antidemokratischen Kräfte zur Folge hatte, war das politische Gewicht militärischer und paramilitärischer Verbände stärker als irgendwo. Von der in Versailles geforderten Auflösung und Entlassung bedroht, wandten sich viele dem Zivilleben entwöhnte Offiziere und Dauersoldaten der >>Politik<< zu, wie sie sie verstanden. Der Dienst in den Übergangsformationen ließ Zeit für Vorträge, Diskussionen, Schulung im nationalistischen Ton; es bildeten sich militärisch-politische Kreise um Offiziere wie den Freikorpsführer Oberst Ritter von Epp, der sein Prestige der Niederwerfung der Räterepublik verdankte, oder den Hauptmann Ernst Röhm, der als Stabschef des Münchener Stadtkommandanten die Förderung >>nationaler<< Vereinigungen betrieb. Es entstanden geheime Waffendepots, eine weitverzweigte Konspiration rechtsradikaler und militärdiktatorischer Kreise breitete sich aus. Zahllose radikale politische Gruppen und Grüppchen, in denen Militärs ihre Verbindungsmänner und Spitzel kannten, wurden gegründet, entfalteten sich, zerfielen wieder (in: Die deutsche Diktatur).
Besonders Helene Bechstein und Elsa Bruckmann förderten die politische Karriere Hitlers mit großzügigen finanziellen Zuwendungen.
Nicht vergessen werden sollte allerdings, dass einige der entschiedensten Gegner Hitlers aus München stammten oder hier im Widerstand aktiv waren, wie die Mitglieder der Weißen Rose oder Georg Elser.
Neben München traten aber auch noch andere Städte in Deutschland als Plattform für Hilter und seine Ideologie hervor. Neben Nürnberg und Berlin war dies auch Hamburg. Lange Zeit hielt sich in der Hansestadt die Legende, Hamburg sei Hitler wegen seiner freiheitlichen und liberalen Gesinnung ein Dorn im Auge gewesen. Mit diesem Märchen räumte Karl-Heinz Janssen 1997 in dem Beitrag Hitler und die Hamburger gründlich auf.
Noch in der Zeit, als er Redeverbot hatte, im Jahr 1926, konnte Hitler im großbürgerlichen Hamburger Nationalclub von 1919 vor 500 Gästen einen zweieinhalbstündigen Vortrag halten. In gewisser Weise machte das Hamburger Großbürgertum Hitler wieder salonfähig. Auch sonst hatte Hitler mit Hamburg große Pläne, wie u.a. aus dem Beitrag Hitlers Groß-Hamburg hervorgeht. In seinem Buch Hanseaten unter dem Hakenkreuz. Die Handelskammer Hamburg und die Kaufmannschaft im Dritten Reich zeichnet Uwe Bahnsen dagegen ein deutlich schmeichelhafteres Bild der Zivilcourage in Hamburg während des Dritten Reiches, was der Rezensentin Lu Seegers auf hsozkult stellenweise die Sprache verschlägt.
Neben München, Nürnberg und Berlin darf sich auch Hamburg des zweifelhaften Rufs erfreuen, eine Stadt der Bewegung gewesen zu sein.
Auch die rheinische Metropole Köln hatte entscheidenden Anteil an der Karriere Adolf Hitlers; fand hier doch im Jahr 1933 das Treffen Papens mit Hitler im Haus des Bankiers Schröder statt, das für den Historiker Karl Dietrich Bracher die Geburtsstunde des Dritten Reiches markiert. Dass Karneval und Nationalsozialismus sich nicht zwangsläufig ausschließen, belegten Markus Leifeld und Carl Dietmar in ihrem Buch Alaaf und Heil Hitler. Von einer Narrenrevolution in Köln während des dritten Reiches, kann daher keine Rede sein.
Ebenfalls nicht vergessen werden sollte Hitlers legendäre Rede vor dem Industrie-Club Düsseldorf.
Weitere Informationen:
München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München
„Hitler war häufiger in Hamburg als bekannt“
Die Steigbügelhalter. Annotierte Chronik zur Einbürgerung Hitlers in Braunschweig
München: Eine unrühmliche Rolle unter den Nazis
Die Stadt und das Geld. Haushalt und Herrschaft im nationalsozialistischen München
Der lange Schatten der Revolution. Juden und Antisemiten in Hitlers München 1918 bis 1923
Köln in der Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945
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