Heidegger hat sich oft bemüht, den Eindruck zu erwecken, dass er seine Gedanken sozusagen aus der Tiefe der Sprache herausgelesen habe, als seien sie im griechischen oder deutschen Wortschatz schon von jeher in den Urwurzlen der Worte schlummernd vorhanden gewesen. Und dazu kommen noch die vielen virtuosen Variationen mit den Präfixen und Suffixen (etwa: bergen, verbergen, Verborgenheit, Entborgenheit, Unverborgenheit, Verbergung etc.). Man kann sich aber fragen, ob es nicht vielleicht gerade umgekehrt ist: Ob Heideggers Denken die Sprache nicht gerade zwingt, entgegen ihrem eigenen Hang, seinem despotischen und oft willkürlichen Befehl, seiner eigenen dichterischen Macht nachzugeben. Heideggers Behauptung, der schöpferische Mensch sei notwendig “gewalt-tätig”, könnte sehr wohl auch für ihn gelten.
Quelle: Das philosophische Staunen. Einblicke in die Geschichte des Denkens, Autorin: Jeanne Hersch