Die Poesie und erst recht die Übersetzung der Poesie ist also eine Fluchthelferin, eine Schlepperin, wenn man so will. Sie ist ein frischer Luftzug, eine Welterweiterungsmaschine, sie injiziert Ideen, Sichtweise, Perspektiven, die durch ihre bloße Andersheit betören und belebenden Wind und die nötige Spannung in den geistigen und seelischen Haushalt zu bringen vermögen; sie hilft uns, die immer drückendere, immer absolutere, immer aufdringlichere Präsenz der Gegenwart zu überschreiten. Die (übersetzte) Poesie ist die von Rückert so tatkräftig geschärfte und geschliffene Nadel, mit der wir unsere allzu aufgeblasene Gegenwart, so oft wir wollen, so oft wir ein Buch zur Hand nehmen, mit einem lauten Knall zum Platzen bringen können. 

Quelle: Fluchthelferin Poesie von Stefan Weidner in der FAZ vom 25. Juli 2016 

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