Von Ralf Keuper
Gerade in der Adventszeit ist das Kerzenlicht für viele von uns die bevorzugte Lichtquelle. In einer ansonsten von grellem Scheinwerferlicht dominierten, sensationslüsternen Zeit, geht vom Kerzenlicht ein gewisser Zauber aus, der auch auf die Sinne wirkt. 
Trotzdem ist es um die Kerzenindustrie, insbesondere den Berufsstand der Wachszieher, nicht allzu gut bestellt, wie u.a. aus dem Beitrag Alte Flamme in der SZ vom 6./7. Dezember 2014 hervorgeht. Darin berichtet Martin Zips von dem Münchener Orignal und letzten Kerzenzieher der Stadt, Bernhard Fürst.
Vor einigen Jahren widmete der Bayerische Rundfunk dem Handwerksbetrieb einen Filmbeitrag.
Licht und Schatten haben schon einige Kunstwissenschaftler wie Tanizaki Jun’ichiro in Lob des Schattens und Ernst Gombricht in Schatten. Ihre Darstellung in der abendländischen Kunst zum Nachdenken inspiriert. 
Besonders schön hat den Gegensatz von Kerzen- und Neonlicht der leider viel zu früh verstorbene John O’Donohue in Anam Cara. Das Buch der keltischen Weisheit beschrieben. 

Der irischeTheologe und Philosoph O´Donohue weist darauf hin, dass der lateinische Begriff für Offenbarung Re-Velatio nicht nur Enthüllung, sondern auch Wieder-Verhüllung bedeute: ein Schleier, der über den Dingen liegt, öffnet sich zeitweise, verbirgt sie dann aber auch wieder. O´Donohue betont, dass die Offenbarung nicht etwa wie ein Neonlicht den ganzen Raum der Wirklichkeit ausleuchtet und sie rational aufklärt, sondern dass diese eher wie das Licht von Kerzen das Geheimnis Gottes erschließt, ohne dabei Schatten und Dunkelheiten vollkommen wegzunehmen. 

Heute trauern einige der Glühbirne nach und befürchten, ihre besondere Atmosphäre gehe durch die LED-Leuchten verloren. Das mag so sein. Im Vergleich zum Kerzenlicht war aber schon die Glühbirne und noch mehr die Neonröhre in gewisser Hinsicht ein Rückschritt. 
Das ist jetzt mitnichten als eine kulturpessimistische Äußerung zu werten. Wir wollen die Zeiten, in denen Menschen über kein elektrisches Licht und nicht einmal über Kerzen verfügten, die waren nämlich zu teuer, im Rückblick nicht verklären und damit quasi in ein positives Licht rücken 😉 Das wäre platte Nostalgie. 
Freuen wir uns trotzdem, dass es noch Kerzen zu kaufen gibt, und noch Menschen da sind, die das Handwerk des Kerzenziehens betreiben.
Wie man das Licht als Gestaltungsmittel verwenden kann, zeigt das Buch Gestaltung mit Licht. Hervorzuheben ist darin der Beitrag Über die Kunst mit Licht zu bauen von Gerhard Auer. Darin schreibt er u.a. :

Licht ist also kein Werkstoff, aber ein Baumedium, ein Mittler, ein Beweger, eine immaterielle Brücke zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung. Überdies ist das Licht ein unerbittliches Geschenk des Himmels. Alles Bauen hat sich ihm zu unterwerfen, hat Tag und Nacht zu beantworten. Die Lichtbaukunst war also folglich lange Zeit passiv, reaktiv bis kontemplativ. Erst mit den noch jungen Instrumenten der künstlichen Beleuchtung ist der Architekt zum Herr über die Lichtexistenz seins Werks geworden – freilich nur über die nächtliche.  … Licht ist nicht bloß Sehhilfe: Von der Blendung bis an die Grenzen der Finsternis besitzt es ein Repertoire von Suggestivkräften, ein magisches Potential. Auf der letzten Stufe der Lichtbaukunst wo die Emotionen und Imaginationen des Raumgefühls ausgelöst werden, hilft dem Architekten keine Schulweisheit mehr; um so fruchbarer sind Kontakte zu Schwesterkünsten. Tatsächlich lassen sich aus der Malerei, der Skulptur und vor allem der Bühnenkunst Licht- und Farberfahrungen in die Architektur übertragen. 

Erwähnenswert aus dem Buch ist auch der Beitrag Lichtung und Beleuchtung. Anmerkungen zur Metaphysik, Mystik und Politik des Lichts von Peter Sloterdijk, wenngleich der Autor ansonsten nicht zu den von mir bevorzugten zählt. 

Schreibe einen Kommentar